Ergänzende Bausteine aus Sintflut und Geologie (3. Aufl.)

Karbonische Schwimmwälder

Wichtige Beiträge zur Kritik an der Autochthonie (= an Ort und Stelle gewachsen) der Steinkohlewälder des Karbons hat J. Scheven veröffentlicht.1 Die sog. Wurzelböden sind mit den uns heute bekannten Böden nicht vergleichbar. Sie führen zwar wurzelartige Organe, doch deutet vieles darauf hin, dass sie zusammen mit dem Sediment abgelagert worden und nicht in dieses hineingewachsen sind. Anzeichen für eine regelrechte Durchwurzelung fehlen. Im Sediment unter den Flözen finden sich nur basale Organe (Stigmarien, keine typischen Wurzeln) der Bärlappbäume, während hier Wurzeln der anderen karbonischen Baumgruppen fehlen. Letztere wurzelten offenbar in der schwimmfähigen Pflanzenmatte, die im Wesentlichen aus den Basal-Organen der Bärlappbäume bestand. Die „Wurzelböden“ wirken wie unverwühlte, frische Sedimente, die zudem aus unterschiedlichen Sedimenten bestehen können (etwa Quarzsandstein und Kalkstein). Wären es Wurzelböden, hätten die Bärlappbäume eine derartige Bandbreite an Milieus toleriert wie kaum eine moderne Pflanze. Scheven verweist auf mehrere Autoren, die hinsichtlich der Sedimentnatur der „Wurzelböden“ die gleiche Folgerung gezogen haben, ohne allerdings die autochthone Bildung der Wälder in Frage zu stellen. Trotz gravierender entgegenstehender Indizien ist die Autochthonie der karbonischen Steinkohle nach wie vor Standard-Hypothese in den Geowissenschaftlern.

Das „Wurzelgeflecht“ der Bärlappbäume, bestehend aus langgestreckten, dickeren, sehr leicht gebauten und teilweise hohlen Stigmarien und den anhaftenden bleistiftdünnen Appendices, ist ungeeignet für ein Wachstum in einem gewöhnlichen Boden. Als basale Organe („Wurzeln“) einer schwimmenden Vegetationsmatte sind sie jedoch sinnvoll. Die besondere Erhaltung der Appendices, bei denen manchmal der gleichfalls hohle Innenraum mit Sediment ausgefüllt ist, ist ein klares Indiz dafür, dass die Bäume einst schwimmend im Wasser gediehen. Dafür spricht auch, dass die Appendices an ihrer Basis – ähnlich wie heutige Blattstiele – ein Trenngewebe besaßen, an dem ältere Exemplare abgeworfen werden konnten; das macht nur im Wasser Sinn, nicht aber im Erdboden. Bei der späteren Verschüttung wurden die hohlen Appendices aufgespalten und verfüllt. Bereits im 19. Jahrhundert schlug O. Kuntze ein Schwimmwaldmodell für die Karbonflora vor.2 Auch aus der neueren Literatur zu den Bärlappbäumen des Karbons geht hervor, dass aus botanischer und ökologischer Sicht ein Schwimmwaldmodell für die Karbonwälder gut begründet erscheint.3

Zwischen den Kohlenflözen sind oft mächtige Sedimentfolgen zwischengeschaltet, etwa Sandsteine und besonders Konglomerate (= Geröll führende Sandsteine), deren Gefüge oft auf hochenergetische Ablagerungsbedingungen hinweisen. Aber auch viele feinkörnige Sedimente (Tonschiefer) wurden rasch abgelagert, wie zahllose gut erhaltene Pflanzenreste und nicht selten aufrecht stehen gebliebene, von Tonschlick rasch eingeschlämmte Bärlappbaum-Hohlstämme belegen, die bis zu ca. 12 m hoch sein können. Da die häufigen Bärlappbaum-Arten zumindest in den Folgen des Westfals (einer Stufe des Oberkarbons) weithin durchgehend auftreten, folgt aus dem Übereinander der Kohlenflöze kein zeitliches Nacheinander im Sinne evolutionärer Abstammung. Die Schwimmwälder können einst nebeneinander auf großen Süßwasserflächen existiert haben. Durch katastrophische Ereignisse wurden sie übereinander in rasch absinkende Ablagerungströge geschwemmt, zusammen mit ihren Stigmarien einsedimentiert und dann vollständig verschüttet (Abb. 3).

Abb. 3 Entstehung karbonischer Steinkohlenflöze im Rahmen eines katastrophischen Modells. Den Zahlen auf den Skizzen folgend, wären die Vorgänge etwa so zu verstehen:

(1) Infolge tektonischer Bewegungen der Erdkruste sinken bereits versenkte Schichtfolgen (mit eingelagertem Steinkohlenflöz) unter bebenartigen Erschütterungen weiter ab (lokale Tektonik).

(2) Dadurch kommt es zu Rutschungen von teils verfestigten Sedimenten (subaquatische Rutschung).

(3) Neu herangeschwemmte Sedimente gemischter Korngrößen werden rasch in die durch Absinken des Untergrundes entstandenen lokalen Mulden transportiert und als zusammenhängende Schüttungsfolge, unten grob bis oben fein, abgelagert (Gradierung).

(4) Nach Ausgleich des örtlichen Reliefs entstehen über breiter Front mächtige schräggeschichtete Sedimentfächer infolge großflächiger Beckenneigung (Flächensandstein).

(5) Ein Schwimmwald wird herangeschwemmt, und gleichzeitig erreichen die Sandschüttungen nahezu den Wasserspiegel.

(6) Durch weitere ruckartige, Absenkungen des Untergrunds werden erneut Sedimente gemischter Korngrößen herangeführt und gradiert geschüttet.

(7) Die nun einsedimentierten Schwimmwurzeln halten die gestrandete Waldmatte fest. Sie bilden mit dem um die Wurzeln abgelagerten Material die als „Wurzelboden“ interpretierten Sedimente. Über dem sinkenden Wald brechen Flutwellen herein.

(8) Fortschreitende Absenkung des Untergrundes verstellt und versetzt kontinuierlich die einzelnen Schüttungen.

(9) Ein weiträumiger Sandfächer wird über dem tiefer sinkenden Wald abgelagert. Einige Hohlstämme bleiben meterhoch stehen und werden mit Sediment verfüllt, die meisten vollständig umgerissen und zugedeckt.

(10) Ein weiterer Schwimmwald driftet heran und wird an seinen Schwimmwurzeln eingesandet. Während auf der rechten Bildseite die bereits versenkte und die eben herangeschwemmte Pflanzenmatte nur durch eine relativ schwache Sandlage getrennt sind, werden sie links infolge der ruckartigen, kleinräumigen Muldenbildung durch eine mächtigere gradierte Schüttung weiter voneinander getrennt. (Aus Junker & Scherer 1992)


1 Scheven, Karbonstudien (1986).
2 Kuntze, Phytogeogenesis (1884); Kuntze, Karbonkohlen (1895); zusammenfassende Darstellung bei Junker, Samenfarne (2000), 68.
3 Vgl. Junker, Samenfarne (2000), 55-68.

Nähere Informationen zu den Quellenangaben in Teil 1 und Teil 2 des Literaturverzeichnisses