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Manfred Stephan (Hrsg.)
Sintflut und Geologie Schritte zu einer biblisch-urgeschichtlichen Geologie |
Ergänzende Bausteine aus Sintflut und Geologie (3. Aufl.) Zur SequenzstratigraphieIm Laufe der Forschungsgeschichte sind verschiedene stratigraphische Arbeitsmethoden in die Bearbeitung der geologischen Gesamtschichtenfolge eingeflossen: Die Lithostratigraphie wird besonders angewendet, wenn keine Abfolgen stratigraphisch verwertbarer Fossilien vorhanden sind. Dann werden vor allem gesteinskundliche Methoden benutzt. Dies führt oft zu einer unscharfen Korrelierung mit entfernten, ungefähr gleich alten Gesteinsfolgen und damit zu einer unsicheren Zeitbestimmung (das gilt unabhängig vom generell gewählten Zeitrahmen, sei er lang oder kurz). Die Biostratigraphie verwendet die Abfolge von oft weltweit korrelierbaren Zonen-Leitfossilien (Tab. 1). Zur Ermittlung absoluter Alter werden geologische, physikalische und biologische Methoden angewendet (auf die Problematik der Altersbestimmung mit Hilfe radioaktiver Isotope oft als absolute Altersbestimmung bezeichnet wird hier nicht eingegangen; vgl. Sintflut und Geologie, Kap. 8.2). In der Praxis werden alle stratigraphischen Arbeitsmethoden in der geologischen Gesamtschichtenfolge miteinander verbunden, um sie immer detaillierter untergliedern zu können. Als neueres, zusätzliches Konzept wird die Arbeitsweise der Sequenzstratigraphie vorgestellt.1 Hier soll ihre mögliche Bedeutung für eine biblisch-urgeschichtliche Geologie ausgelotet werden. Gehen wir von einer geschaffenen Lebewelt aus, die in gestörten Ökosystemen existierte. Die Rekonstruktion der Sedimentationsereignisse kann, sofern sie schnell erfolgte, zu Widersprüchen mit der langzeitlich verstandenen Biostratigraphie führen, denn die biostratigraphischen Zeitmaßstäbe sind fraglich geworden. Als Beispiel sei der Obere Muschelkalk (= Hauptmuschelkalk) genannt. Er wird biostratigraphisch mit Hilfe der sich in der Sedimentfolge abwandelnden Ceratiten-Gehäuse („Muschelkalk-Ammoniten“) in ca. 13-14 Zonen unterteilt2 (vgl. Sintflut und Geologie, Abb. 18). Für jede Zone wird durchschnittlich ein Zeitraum von 300.000 bis 500.000 Jahren angegeben. Neuere Untersuchungen an einer heutigen Kleinfisch-Gruppe (Guppys) in einem bestimmten Lebensraum führten jedoch zu ganz anderen Ergebnissen. Unter dem Druck einer sich ändernden Umwelt, die durch andere Fressfeinde verursacht wurde, lief die genetische Mikro-Evolution dieser Guppy-Population um bis zu 10 Millionen (!) mal schneller ab, als aus übereinander gefundenen Abwandlungsreihen fossiler Tiere angenommen worden war.3 Ähnliches gilt auch für mikroevolutive Prozesse bei anderen Lebewesen.4 Setzt man auch nur annäherungsweise entsprechende Zahlen für den Hauptmuschelkalk ein, so könnten die Ceratiten-Zonen erheblich kürzer gewesen sein, insbesondere, weil im Muschelkalk-Meer immer wieder gestörte ökologische Bedingungen herrschten.5 Dadurch hätte sich möglicherweise ein erhöhter Selektionsdruck auf die Ceratiten ausgewirkt und zur Gehäuseabwandlung beigetragen. Aigner et al. weisen anhand der zyklischen Ablagerung des südwestdeutschen Hauptmuschelkalks darauf hin, dass zahlreiche Kalkbänke in der Mächtigkeit vom Zentimeter- bis Meterbereich innerhalb von Stunden bis Jahrhunderten entstanden sein konnten (Abb. 4, links).6 Die angenommene lange Dauer wird auch mit den gelegentlich in der Schichtenfolge eingeschalteten Riffen begründet, vor allem solche, die aus der kleinen Muschel Placunopsis aufgebaut sind (vgl. Sintflut und Geologie, Kap. 5.8). Sedimentstrukturen und Gefüge sehr zahlreicher Einzelbänke im Hauptmuschelkalk belegen jedoch Hochenergie-Ereignisse, die in äußerst kurzer Zeit abgelaufen sein müssen. Sie werden von der heutigen Forschung gewöhnlich als Sturmflutablagerungen (Tempestite) interpretiert.7 Im Rahmen der Sequenzstratigraphie ist nun wichtig, dass die einzelnen Schillkalkbänke usw. über weite Teile des Muschelkalkbeckens jeweils „absolut zeitgleich“ gebildet wurden. Man kann mit Hilfe solcher Leitbänke „ein exaktes Zeitraster von Tagesgenauigkeit über die Schichtfolge“ legen. „Die Bankstratigraphie bekommt damit eine nie geahnte chronostratigraphische Genauigkeit“.8 Jedoch weist Aigner selbst darauf hin, dass die heutigen Orkanflut-Lagen der Nordsee „allerdings sehr viel geringermächtig als vorliegende Abfolgen“ im Hauptmuschelkalk sind.9 Das deutet auf damalige Entstehungsbedingungen mit einer erheblich höheren Energie hin als in gegenwärtigen Orkanen. Außerdem steht die kurze Bildungszeit sehr vieler Einzelbänke des Hauptmuschelkalks in eigenartigem Gegensatz zur Entstehungsdauer des ganzen Hauptmuschelkalks nach Isotopen-Datierungen. Dafür werden ca. 5 Millionen Jahre angegeben; für den gesamten Muschelkalk ca. 8 Millionen Jahre.10 Nach Aigner lassen sich die einzelnen Bänke in der Schichtenfolge zu zahlreichen sog. Dachbank-Zyklen von ca. 1-7 Meter Dicke ordnen (Abb. 4, Mitte).11 Diese Zyklen beginnen jeweils mit dünneren und feinkörnigeren Lagen (etwa Tonhorizonte) und enden nach oben mit grobkörnigeren und mächtigeren Schichten, den „Dachbänken“ (z.B. Schalentrümmerbänke). Die Entstehung der Zyklen soll durch Meeresspiegelschwankungen gesteuert worden sein. Dabei werden die feinkörnigeren Schichten Meeresspiegelhochständen, die grobkörnigen Bänke Tiefständen zugeordnet; letztere also hochenergetischen Flachwasserbedingungen. Die Anordnung der Kalkbänke zu diesen Zyklen ist im Aufschlussbereich allerdings nicht immer eindeutig, da es viele Abweichungen vom Idealbild gibt und im norddeutschen Hauptmuschelkalk die Zyklen zum Teil anders aufgebaut sind.12 Die Abfolge der Dachbank-Zyklen übereinander bildet laut Aigner einen annähernd symmetrisch aufgebauten Großzyklus (Abb. 4, rechts).13 Er wird als Beckenfüllung bezeichnet und umfasst den ganzen, im nördlichen Baden-Württemberg ca. 100 Meter mächtigen Hauptmuschelkalk. Dieser Großzyklus wird wiederum auf übergeordnete, jedoch stärkere Meeresspiegelschwankungen bzw. unterschiedlich starke Absenkungen des Untergrundes zurückgeführt. Der Großzyklus beginnt mit gröberen und mächtigeren Bänken des Unteren Hauptmuschelkalks, die vielfach mit ungeheuren Massen von Seelilienstielgliedern angereichert sind (Trochitenkalk). Die Stielglieder wurden demnach in einem flacheren Meer unter hohen Transportenergien verschwemmt (es stellt sich die Frage, ob die Massenvermehrung der Seelilien auf gestörte ökologische Bedingungen hinweist). Bei der anschließenden Entstehung der feinkörnigeren Tonplatten und Blaukalke des Mittleren Hauptmuschelkalks hätte sich der Meeresspiegel dann wieder gehoben. Der den Großzyklus abschließende Obere Hauptmuschelkalk weist mit seinen groben Schillkalk- und Kornsteinbänken wieder auf energiereiche Flachwasserbedingungen hin (vgl. Abb. 4).14
Auf diese Weise versucht das Modell der Sequenzstratigraphie nachzuvollziehen, wie die Sedimente des Hauptmuschelkalks gebildet wurden.15 Man kann jedoch im Sinn eines biblisch-urgeschichtlichen Entstehungsmodells überlegen: Die rasche Ablagerung sehr zahlreicher Einzelbänke des Hauptmuschelkalks ist allgemein anerkannt, da sie an den Sedimentstrukturen deutlich erkennbar ist. Über ihre Bildung können viel zuverlässigere Aussagen gemacht werden als zu den übergeordneten Zyklen. Bei deren vermuteten Bildungsbedingungen werden die Aussagen der Sequenzstratigraphie enorm extrapoliert und damit zunehmend hypothetisch und unsicher. Aber selbst die Bildung der einzelnen Schillkalkbänke durch Stürme ist zweifelhaft, worauf der Vergleich mit heutigen Orkanlagen hinweist (s.o.). Wenn bei der Sedimentation der Einzelbänke größere Kräfte als bei Orkanen gewirkt haben, stellt sich die Frage, ob dann nicht auch die übergeordneten Dachbank-Zyklen bis hin zum Großzyklus der Beckenfüllung insgesamt energiereicher und rascher abgelaufen sein könnten.
Nähere Informationen zu den Quellenangaben in Teil 1 und Teil 2 des Literaturverzeichnisses |
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